Erzählertypen

Wie viele verschiedene Erzähler für möglich und denkbar gehalten werden, divergiert. Vogt kommt auf sechs, Doležel auf zwölf, ebenso wie Füger. Gemeinsam ist allen der duale Ausgangspunkt, die Unterscheidung zwischen Ich- und Er-Erzähler (Form) Auch Genette behält die grundsätzliche Einteilung bei, wenn er von homodiegetischen bzw. heterogetischen Erzähler spricht. Dagegen stehen nur Stanzels drei Erzählsituationen: zwei Er-Erzähler (auktorialer und personaler) und ein Ich-Erzähler. Der Unterschied zwischen den beiden Er-Erzählern (Erzählinstanzen) besteht in der Perspektive (Fähigkeiten). Der auktoriale Erzähler verfügt über eine Allwissenheit in Bezug auf die erzählte Welt, über die Fähigkeit zur Innensicht aller Figuren. Auch sonst ist seine Kompetenz hoch, wenn auch nicht höher als die des Autors. In der zeitgenössischen Literatur gibt es aufgrund des Verzicht auf die (z.B. für anmaßend gehaltene) Allwissenheit des auktorialen Erzähler zwei Tendenzen: bewusste Wissenslücken und das Bekenntnis, als Autor zu erzählen.
Das "traditionelle" auktoriale Erzählen ist streng genommen eine Mischform, die personales und neutrales Erzählen in sich einschließt. Personales Erzählen bedeutet die Perspektive einer Figuren, deren Innensicht bekannt ist, während alle anderen Figuren nur von außen gesehen werden, also "neutral". Über eine solche Perspektive (alleinige Innensicht der Hauptfigur) verfügt auch der Ich-Erzähler. Es zeigt sich, dass es Eigenschaften gibt, die einander ausschließen, solche, die einander bedingen sowie solche, die immer, aber in Abstufungen vorhanden sind.
Ein Erzähler kann immer nur entweder Medium oder Figur des Textes sein. Vom Typ des Erzählers abhängig ist die Fähigkeit zur Innensicht. Die Glaubwürdigkeit ist in erster Linie ein relationales Verhältnis, das der Leser für sich aufmacht. Aus dieser Aufzählung wird noch einmal deutlich, wie sehr sich Person und Perspektive bei den einzelnen Erzählern überlappen. Wenn in neueren Arbeiten darauf gedrängt wird, "Sehen" und "Sprechen" voneinander zu trennen, scheint mir das kaum möglich. Ich plädiere dafür, einen Autor-Erzähler in das System zu etablieren.
So wäre es möglich, das Ungleichgewicht der Erzählsituationen aufzuheben und die doch einleuchtenden vorhandenen Formen beizubehalten. Das setzt voraus, dass literarische Texte nicht mehr rein fiktional angelegt sind. Des Weiteren soll in diesem Fall auch die Erzählstruktur berücksichtigt werden.

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