Wichtige Positionen zum Erzähler

K. Friedemann: Der Blickpunkt des Erzählers
In dem Kapitel "Der Blickpunkt des Erzählers" beschreibt K. Friedemann die ihr möglich erscheinenden Formen, die dieser in einem epischen Werk annehmen kann.
Historisch setzt sie den Beginn des Erzählers als Element des Textes an beim Wechsel vom mündlichen zum schriftlichen Erzählen. Dabei unterscheidet sie zwischen einem Erzähler, der "nur" Erzähler ist oder aber Teilnehmer bzw. Beobachter der Ereignisse. Dieser "Erzähler schlechthin" verfügt über eine Reihe von Merkmalen: Er bezeichnet sich selbst als solcher, er spricht den Leser an, sieht sich und ihn als eine Einheit. (K. Friedemann, Die Rolle des Erzählers in der Epik, S. 39, 40 f.)
Der Erzähler verfügt über einen bestimmten Blickpunkt: "Die Übermittlung vergangenen Geschehnisse durch ein zwischen diesen und dem Leser stehendes Medium bedingt in erster Linie, daß dies Medium ... die Illusion erwecken muß, es habe die Geschehnisse von einem bestimmten Punkt aus angeschaut." Das Medium braucht jedoch nicht nur ein einziges zu sein: die Dinge können von mehreren Beobachtern wiedergegeben werden. (Ebd., S. 33, 42 f.)
Andererseits kann der Dichter versuchen, die Vermittlerrolle des Erzählers absichtlich zu vermeiden. Die Begebenheiten sollen nicht als erzählt, sondern als unmittelbar erlebt erscheinen. Der Erzähler "wünscht nicht zu existieren, er will uns zwingen, nach Möglichkeit seine Gegenwart zu vergessen". Hier ordnet sie die von Spielhagen geforderte "objektive" Erzählform ein, in der "alle Dinge durch das Medium des gegenwärtigen Erzählers geschaut werden". (Ebd., S. 46 ff.)
Friedemann ist der Ansicht, dass ein solcher Blickpunkt für eine Novelle, aber nicht für einen großangelegten Roman geeignet ist. Sie zeigt zugleich, dass auch Spielhagen in seinen Romanen von der Perspektive seiner Helden abweicht.

W. Kayser: Erzählhaltung, Perspektive
Wolfgang Kayser geht in seiner 1948 erstmals erschienenen und immer wieder verlegten umfangreichen Arbeit "Das sprachliche Kunstwerk" im Abschnitt "Darbietungsprobleme der Epik" auf den Erzähler ein. Danach kann die "Ursituation des Erzählens ... sichtbar gemacht und gesteigert werden, indem der Autor noch einen anderen Erzähler vorschickt, dem er die Erzählung in den Mund legt." (W. Kayser, Das sprachliche Kunstwerk, S. 201.)
Kayser unterscheidet zwischen der Ich-Erzählung, in welcher der Ich-Erzähler eine Figur des Textes ist und nur Selbsterlebtes und Erfahrenes wiedergeben kann, und der Er-Erzählung, wo der Autor oder der Er-Erzähler nicht auf der Ebene der Vorgänge stehen. (204)
Weitere wichtige Merkmale für die Charakteristik des Erzählers sind für ihn die Erzählhaltung als Verhältnis des Erzählers zum Publikum und zum Geschehen, das auf Distanz und Überblick oder Nähe beruht, und die Perspektive. Hier unterscheidet Kayser zwischen der "Allwissenheit, den nur von außen sehenden, den teilweise wissenden oder den in die Figuren gelegten Standpunkt". Dabei hat eine Perspektive die Führung, aber ein Wechsel ist möglich und kann bestimmte Wirkungen hervorrufen. (Ebd., S. 204, 212.)

N. Friedman: Skala der Allwissenheit
Beim Vergleich zwischen den Ausführungen von Friedemann und Kayser zeigt sich, daß beide zwischen dem Ich-Erzähler (Friedemann: Teilnehmer an den Ereignissen) und dem Er-Erzähler (Friedemann: der "Erzähler schlechthin") unterscheiden. Als zweite wesentliche Komponente wird der noch nicht differenzierte "Blickpunkt" bei Friedemann zu verschiedenen Formen der "Erzählperspektive" bei Kayser.
Der englische Begriff "point of view" steht für beides. Er diente z.B. Norman Friedman für die Einteilung einer Skala der Allwissenheit: diese reicht von der "editorial omniscence" (die Geschichte wird von einem allwissenden Erzähler dargeboten) über die "selective omniscience" (die Geschichte wird aus der Perspektive einer Figur erzählt) bis zur "camera". (N. Friedman, Point of view in Fiction, zit. nach: R. Fellinger, Zur Struktur von Erzähltexten, in: H. Brackert, J. Stückrath (Hg.): Literaturwissenschaft. Grundkurs I. Reinbeck b. Hamburg 1981, S. 347.) Diese Abstufung entspricht im wesentlichen den Möglichkeiten der Erzählperspektive bei Kayser.

W.C. Booth: Auftreten, Distanz, Zuverlässigkeit, Privilegien
In seiner umfangreichen, aber nicht immer systematischen Arbeit "Rhetoric of Fiction" erachtet Wayne C. Booth die Einteilung in drei oder vier verschiedene Erzählperspektiven für unzureichend, und die Unterscheidung in eine Ich-Form und eine Er-Form für wenig aussagekräftig. Er schreibt:
"Perhaps the most important difference in narrative effect depent on wether the narrator is dramatized in his own right and on wether his beliefs and characteristic are shared by the author." (W.C. Booth, Rhetoric of Fiction. Chicago 1961, S. 149.) Er unterscheidet daher auftretende und verborgene Erzähler (dramatized and undramatized narrators). Jedoch ist diese Einteilung schon bei Friedemann zu finden (einerseits der Erzähler, der sich selbst als solcher bezeichnet, den Leser anspricht usw. - andererseits der Erzähler, der nicht zu existieren wünscht, dessen Gegenwart man zu vergessen wünscht).
Insgesamt versucht Booth, dem Problem des Erzählers gerecht zu werden, indem er ihm verschiedene Eigenschaften zuweist. So kann der Erzähler Akteur oder Beobachter (narrator-agents, observers) sein, sich seiner Rolle bewusst sein oder nicht. Er kann nach dem Grad und der Art seiner Distanz von Autor, Leser und Figuren beurteilt werden.
Da Booth zwischen dem "realen Menschen" und dem impliziten Autor unterscheidet, sieht er die wichtigste Art der Distanz zwischen dem Erzähler und dem impliziten Autor. Aus dem Verhältnis zwischen beiden entsteht der zuverlässige Erzähler (reliable narrator) wenn er "für die Normen des Werkes (d.h. für die Normen des impliziten Autors eintritt oder in Übereinstimmung mit ihnen handelt". Tut es dies nicht, handelt es sich um einen unzuverlässigen Erzähler (unreliable narrator), was jedoch nichts Negatives bedeutet.
Wenn Kayser den "allwissenden Erzähler" wie den Beobachter unter dem Begriff der "Perspektive" zusammenfasst, spricht Booth von den Privilegien des Erzählers, von denen das wichtigste Privileg die Allwissenheit des Erzählers ist, wozu auch die Fähigkeit gehört, Einblicke in das Innere von Figuren zu erhalten. (Ebd., S. 154 ff., 211.)

F.K. Stanzel: Auktoriale, personale und Ich-Erzählsituation; Person, Modus, Perspektive
Betrachten Friedemann und Kayser Person des Erzählers und seine Perspektive noch relativ unabhängig voneinander und werden darin von Booth bestätigt, verbindet Stanzel in seinen in den fünfziger Jahren entwickelten "typischen Erzählsituationen" des Romans beides miteinander und unterscheidet einen Ich-Erzähler und zwei Formen des Er-Erzählers, wobei letztere durch die Merkmale "Anwesenheit des Erzählers" auf der einen und "Illusion der Unmittelbarkeit" auf der anderen Seite differenziert werden können, eine Unterscheidung, die offenbar in der Mehrzahl der vorliegenden Arbeiten zu finden ist.
Die auktoriale Erzählsituation ist durch die Anwesenheit eines persönlichen, sich einmischenden und kommentierenden Erzählers gekennzeichnet, der nicht mit dem Autor identisch ist.
In der Ich-Erzählsituation gehört der Erzähler zur Welt der Romancharaktere. Er hat das Geschehen erlebt, miterlebt oder beobachtet. In der personalen Erzählsituation tritt der Erzähler weit hinter die Charaktere des Romans zurück, seine Anwesenheit wird dem Leser nicht mehr bewusst. Es entsteht die "Illusion der Unmittelbarkeit". (F.K. Stanzel, Typische Formen des Romans. Göttingen 12 1993, S. 16 f.) Als Weiterentwicklung der 1964 veröffentlichten "Typischen Formen des Romans" versucht Stanzel in seiner "Theorie des Erzählens" eine "Neukonstituierung der typischen Erzählsituationen".
Diesmal beginnt Stanzel wie Booth mit der Frage der "Anwesenheit" des Erzählers. Er unterscheidet einen Erzähler, der als eigenständige Persönlichkeit auftritt, und den er deshalb auch als Erzähler bezeichnet, von einem, der unsichtbar bleibt und Reflektor genannt wird. Daraus ergibt sich die 1. Konstituente, der Modus.
Die 2. Konstituente, die Person des Erzählers, bezieht sich auf die Wechselbeziehungen zwischen dem Erzähler des Textes und den handelnden Figuren. Stanzel fragt nach deren "Seinsbereichen". Bei einer Identität der Seinsbereiche von Erzähler und Figuren ergibt sich die Ich-Erzählung. Existiert der Erzähler außerhalb der Welt der Figuren, handelt es sich um eine Er-Erzählung. Als dritte Konstituente einer Erzählsituation erscheint die Perspektive, der Standort, von welchem aus das Geschehen präsentiert wird. Befindet sich dieser innerhalb der Geschichte, handelt es sich um Innenperspektive, ist der Erzähler nicht Träger der Handlung, um Außenperspektive. Daraus ergeben sich die bereits genannten drei Erzählsituationen, bei denen jeweils eine Konstituente dominiert: die auktoriale Erzählsituation (Dominanz der Außenperspektive), die Ich-Erzählsituation (Dominanz der Identität der Seinsbereiche) und die personale Erzählsituation (Dominanz des Reflektor-Modus).
Aus den drei Erzählsituationen bildet Stanzel einen "Typenkreis", in dem die charakteristischen Merkmale der Erzählsituationen angeordnet sind. (F.K. Stanzel, Theorie des Erzählens, S. 68 ff.)
Das Für und Wider, welches das Stanzelsche Konzept hervorrief - auf das in der überarbeiteten Fassung der "Theorie des Erzählens" wiederholt eingegangen wird - verweist eindeutig auf die Stärken und Schwächen des Typenkreises. J. Vogt sieht diese vor allem in Stanzels Ehrgeiz, die "Typologie von komplexen 'Situationen' zu einem geschlossenen System analytischer Kategorien" machen zu wollen (J. Vogt, Aspekte erzählender Prosa, S. 84.).
Insbesondere ist es die Darstellung der Ich-Erzählsituation, die immer wieder Kritik hervorruft. [...]

J.H. Petersen: Erzählform, Standort, Sichtweisen, Erzählverhalten, Erzählweisen
Terminologisch stützt sich Petersen in weiten Teilen auf Stanzel, fügt aber weitere, ihm wichtig erscheinende Begriffe hinzu. Wie dieser beginnt Petersen seine Erörterungen mit der grammatischen Person des Erzählers, erweitert aber das Spektrum: Neben der Ich-Form gibt es die (als selten gekennzeichnete) Du-Form und die Er/Sie/Es-Form. Im Gegensatz zu Stanzel sieht er die "Identität der Seinsbereiche" nicht als Kriterium für den Ich-Erzähler an, sondern meint, dass bei der Ich-Form auch von einer Differenz zwischen dem Narrator-Ich und dem erlebenden Ich ausgegangen werden muß (J.H. Petersen, Erzählsysteme, Eine Poetik epischer Texte. Stuttgart, Weimar 1993, S. 55.). Im Unterschied zur Ich-Form ist bei der Er-Form der Erzähler keine Person, sondern ein "Erzähler-Medium" oder ein "Erzählmedium", ein Begriff, den bereits Friedemann benutzt und den verschiedene Theoretiker verwenden (Weimann, Füger). Der Erzähler hat keine Personalität, über ihn kann nur das Erzählte charakterisiert werden, nicht der Erzähler.
Für die Analyse des Erzählers sind für Petersen vier Merkmale von Bedeutung: der Standort des Erzählers (von ihm auch als "point of view" bezeichnet), die Sichtweise, das Erzählverhalten und die Erzählhaltung.
Der Standort meint das "raum-zeitliche Verhältnis des Narrators zu den Personen und Vorgängen, die er schildert und berichtet". (Ebd., S. 65.) Hier erscheint das Kriterium der Allwissenheit sowie der olympische Standort, der aber auch für den Ich-Erzähler in bezug auf vergangenes Geschehen möglich erscheint.
Sichtweisen sind Erzählverfahren der Außen- bzw. Innensicht, d.h. die vorhandene bzw. fehlende Kenntnis des Innenlebens der Figuren durch den Erzähler.
Petersen lehnt Stanzels Begriff der "Erzählsituation" kategorisch ab, weil "Unvergleichbares kombiniert" wird, nämlich Erzählform und Erzählverhalten, die einander nicht entgegengesetzt werden können (denn auch ein auktorialer Ich-Erzähler ist denkbar). Und doch sind auch Petersens Ausführungen, wenn er zu den beiden Kategorien Erzählverhalten und Erzählhaltung kommt, nicht unproblematisch. Petersen unterscheidet auktoriales, personales und neutrales Erzählverhalten. Er meint damit das Verhältnis des Erzählers zum Erzählten, nicht im Sinne einer Wertung, sondern im Sinn der Präsentation der Geschichte.
Auktoriales Erzählverhalten bedeutet, dass der Erzähler sich selbst ins Spiel bringt, die Geschichte nicht auf sich beruhen lässt. Er bringt eigene Überlegungen, Kommentare ein, wobei die Art der Stellungnahme von der Kategorie der Erzählhaltung erfasst wird. Personales Erzählverhalten ist für Petersen schwieriger zu umgrenzen. Er versteht darunter eine epische Darstellung, die die Figurenperspektive wählt. Jedoch liegt personales Erzählverhalten auch in der erlebten Rede oder dem inneren Monolog vor. Neutrales Erzählverhalten schließlich besteht in der Abwesenheit der oben genannten Merkmale: das Geschehen wird nicht aus der Perspektive einer Figur gesehen und nicht mit Kommentaren versetzt.
Erzählhaltung schließlich ist für Petersen die wertende Einstellung des Erzählers zum erzählten Geschehen und zu den Figuren. Diese kann neutral sein, affirmativ oder ablehnend, kritisch, skeptisch, schwankend, plakativ oder differenzierend. (Vgl. ebd., S. 68 ff.) Petersen verweist mit Recht darauf, dass die von Stanzel geprägten Erzählsituationen außer acht lassen, dass die grammatische Form nicht direkt mit dem Verhalten des Erzählers in Verbindung gebracht werden kann, denn es sind durchaus auktoriale und neutrale Ich-Erzähler möglich. Seine Trennung zwischen dem Standort, dem Verhalten und der Haltung des Erzählers ist aber nicht einleuchtend, da diese sich zwar gegenseitig bedingen, aber nicht beliebig kombinierbar sind. Meines Erachtens wird durch das Erzählverhalten bereits eine bestimmte Erzählhaltung festgelegt. Eine auktoriale Erzählhaltung kann zwar sowohl eine affirmative wie auch kritische Erzählhaltung hervorrufen, aber kaum eine neutrale. Auch der Standort des Erzählers ist nicht beliebig: ein auktoriales Erzählverhalten bedingt in der Regel einen überschauenden Standpunkt, ein personales Erzählverhalten grenzt die Sicht ein.

L. Doležel: Sprecher, Hörer, Referenten
Schon der Titel von Doležels Arbeit: "Die Typologie des Erzählers. 'Erzählsituationen' ('point of view' in der Dichtung)" stiftet Verwirrung, denn der umfassendere Begriff der Erzählsituation wird gleichgesetzt mit dem des "point of view". Doležel unterscheidet zunächst Texte mit Sprecher, die eine Beziehung zum Sprecher, zum Hörer und zum Referenten (gemeint sind die literarischen Figuren) aufweisen, und Texte ohne Sprecher, die nur über eine Beziehung zum Referenten verfügen. Sprecher können sowohl Erzähler als auch Charaktere (d.h. Figuren) sein. Einen sprecherlosen Text bezeichnet Doležel als objektive Erzählung, den "Sprechertext mit der Rolle eines Erzählers" als auktoriale erste Person (1) und den "Sprechertext mit der Rolle eines Charakters" als personale erste Person (2).
Unter Hinzufügung der Kategorie der Aktivität gelangt Doležel zu sechs veschiedenen Erzählern: die "objektive Erzählung" ist als erste Person des Beobachters (3) und als objektive dritte Person (4) möglich, es gibt die rhetorische dritte Person (5) und die subjektive dritte Person (6). (Vgl. L. Doležel, The typologie of the narrator: point of view in fiction. Zit. nach: Die Typologie des Erzählers: "Erzählsituationen" ("point of view" in der Dichtung), in: Literaturwissenschaft und Linguistik. Band 3. Frankfurt/M. 1972, S. 380 ff.) Setzt man diese Dinge in die bekanntere Terminologie um, ergeben sich die sechs Formen aus der Kombination von den zwei grammatischen Formen und den drei möglichen Formen des Verhaltens. Diese sind: auktorial/rhetorisch, personal/subjektiv und Beobachter (oder neutral)/objektiv.

W. Füger: situationsüberlegen, situationsadäquat, situationsdefizitär
Füger arbeitet nach dem gleichen methodischen Prinzip wie Doležel. Beide nutzen binäre Oppositionen, um zu konkreten Erzählern zu gelangen. Während Doležel - wie übrigens auch Booth - mit dem Kriterium der "Anwesenheit" eines Erzählers beginnt (was bei Doležel den Ausdruck "Sprecher- Text"- bzw. "sprecherloser" Text findet), unterteilt Füger die Erzähler nach ihrer Erzählposition "innerhalb oder außerhalb des dargestellten Geschehens" sowie nach "Quelle und Umfang der Informationen über die Vorgänge der ... fiktiven Welt." (W. Füger, Zur Tiefenstruktur des Narrativen. Prolegomena zu einer generativen "Grammatik des Erzählens", in: Poetica, 5 / 1972, S. 263 ff.) Letzteres bezeichnet er als Bewusstseinsstand, der situationsüberlegen, situationsadäquat oder situationsdefizitär sein kann. Zusammen mit der Differenzierung in Ich-Form und Er-Form ergeben sich zwölf Formen, die Füger dann in vier Gruppen zusammenfasst. Er weicht vom "Dreiersystem" ab, weil er den unterschiedlichen "Bewusstseinsstand" des Erzählers zusammenfasst. Er nennt den Ich-Erzähler mit Außensicht "auktorial" (1), den Ich-Erzähler mit Innensicht "original" (2), den Er-Erzähler mit Außensicht "neutral" (3), Er-Erzähler mit Innensicht "personal" (4).
Im Vergleich mit den Auffassungen von Stanzel und Petersen erhält die Kategorie "auktorial" eine andere Bedeutung, da sie hier ausschließlich auf den Ich-Erzähler bezogen wird.

G.Genette: Focalization
Um die Verwirrung komplett zu machen, soll nun noch auf die Begriffe und das System des französischen Strukturalisten Gérard Genette eingegangen werden.
Er bevorzugt eine Systematik, die die Anordnung innerhalb einer Tabelle ermöglicht. Diese enthält die Spalten "Stimme" und "Modus". Die Person des Erzählers wird der Spalte "Stimme" zugeordnet. Homodiegetisches Erzählen bedeutet, der Erzähler ist Figur des Textes, wobei er Selbsterlebtes wiedergibt oder nicht, Held der Geschichte oder Beobachter. Heterodiegetisches Erzählen liegt entsprechend dann vor, wenn der Erzähler keine Figur des Textes ist, den er erzählt. Um das Verhältnis Erzähler - Figuren darzustellen, nutzt Genette den Begriff der Fokalisierung und unterscheidet drei Fälle:
1. zero focalization: Der Erzähler weiß mehr als die Figuren und ist nicht an die Perspektive einer Figur gebunden
2. a) fixed focalization: Der Erzählvorgang ist an die Perspektive einer Figur gebunden
2. b) variable focalization: Der Erzählvorgang ist auf die Perspektive mehrerer Figuren verteilt
2. c) mutiple focalization: mehrere Figuren beschreiben das gleiche Ereignis
3. external focalization: Die Figuren agieren, ohne dass Einblicke in ihre Gedanken oder Gefühle gegeben werden. (G. Genette, Discours du récit, zit. nach: W. Faulstich, H.W. Ludwig, Erzählperspektive empirisch. Untersuchungen zur Rezeptionsrelevanz narrativer Texte. Tübingen 1985, S. 35 ff.)
Trotz der ungewohnten Terminologie ergibt sich, dass am deutlichsten gekennzeichnet werden kann 1. die Person des Erzählers und ihr Verhältnis zum Geschehen und zu den Figuren des Textes, 2. die verschiedenen Möglichkeiten und Abstufungen der Erzählperspektive.

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